Für die Oper bleibt oft zu wenig Zeit
Von Schwarzwälder-Bote 14.06.2016 - 17:30 Uhr
Von Jasmin Cools
Altensteig-Berneck. Wenn Martin Kalmbach am Flügel sitzt, dann kann er nebenbei die Schafe am Hang beobachten oder einen Blick auf das malerische Bernecker Schloss werfen. Ebenso sehr wie seine Heimat, liebt der Vollblutmusiker auch die Klassiker und sein Klavier. Auf Kalmbachs Wohnzimmertisch steht ein Glas mit "Altensteigerle"-Motiv. "Ich habe damals als kleiner Junge die letzte Fahrt der Schmalspurbahn mitbekommen", erinnert sich der 53-Jährige. Vom Tisch aus genießt er den Blick auf sein kleines Berneck. Hier ist der Heimatverbundene aufgewachsen, besuchte in seiner Jugend das Christophorus-Gymnasium in Altensteig hinter dem großen Berg, den man von seinem Balkon aus sieht.
Chormitglied in der Kantorei, die seiner Meinung nach übrigens vorbildlich gefördert wird, wurde er erst im jungen Erwachsenenalter. "Ich habe meinen Vater früh verloren und es gab keinen, der mich fahren konnte. In der Oberstufe bin ich oft von der Schule aus Altensteig nach Hause gelaufen. Da war ich schneller als der Bus", erzählt er. Zur Musik sei er durch seinen Bruder Hans-Jörg gekommen, einen erfolgreichen Musiker und Schulleiter in Calw. "Da war ich gerade 15 Jahre alt und hab das mitgekriegt. Das hatte eine Sogwirkung", erinnert Kalmbach sich. Während seiner Schulzeit sang er unter anderem beim Tölzer Knabenchor und reiste zu Konzerten nach Japan, Israel und Brasilien. Ein Moment, den er nie vergessen werde, sei die Besichtigung des Florentiner Doms gewesen. "Ich liebe ja den Kölner Dom schon, aber das war wirklich ein besonderer Moment. Dieses wunderbare Gebäude im Sonnenschein", schwärmt er. Nach dem Abitur ging es sofort an die Hochschule. Obwohl er nie das Ziel hatte, tatsächlich an einem Gymnasium zu unterrichten, studierte er Schulmusik in Karlsruhe – immer mit der Hoffnung auf künstlerische Entfaltung. "Die Arbeit in einer Schule ist sehr auf Wissensvermittlung angelegt. Das Künstlerische wäre zu kurz gekommen", meint der Musiker mit einem Aufbaustudium im Bereich Kammermusik. Parallel trat er schon als Solist mit dem Altensteiger Kammerorchester auf.
Nach dem Zivildienst arbeitete der Tenor in Calw und unterrichtete am Aurelius-Chor Stimmbildung. Später verschlug es ihn in den Zollernalbkreis, wo er mehrere Klassen betreute. Als eine Stelle in Nagold frei wurde, zog es ihn zurück in die Heimat. Seit bald 25 Jahren arbeitet er dort schon an der Städtischen Musikschule als Dozent und kümmert sich um derzeit 39 Schüler.
Parallel ist der Musiker, der sich eigentlich der klassischen Musik verschrieben hat, seit 2005 auch noch Chorleiter des 40-köpfigen Projekt-Gospelchors "Come Together" des Liederkranzes Nagold, dessen Repertoire vor allem zeitgenössisch ist. Da habe er sich erst "reinarbeiten" müssen, sagt er. Denn: "Wenn ich abends vor der Stereoanlage versumpfe, dann sind es meist Chopin, Beethoven, Mozart und Bach, die mich begleiten." Momentan habe er auch ein starkes Faible für Brahms. Das sei stimmungsabhängig. Seine Bernecker Heimatliebe drückt er vor allem damit aus, dass er in der Kirche die Orgel spielt und den Projektkirchenchor betreut. "Natürlich merkt man in Dörfern die Erosion im öffentlichen Leben", spricht er das Vereinssterben an, fügt aber hinzu, dass sich der Chor bisher immer zusammengefunden hätte. "Das öffentliche Leben zu erhalten ist eine Aufgabe, die man wahrnehmen sollte. Und ich denke, dass die Musik eine gute Möglichkeit dazu ist", findet Kalmbach.
Für die Zukunft wünscht er sich, selbst häufiger konzertieren zu können. Momentan plane er mit Tenor Andreas Kramer ein neues Projekt. Außerdem versucht er, seine Enkel an die Musik heranzuführen. "Wir waren auch schon in der Oper. Das würde ich gern häufiger mit meinen Musikschülern machen, aber die Zeit ist knapp", gesteht er. Seine Frau teilt die Liebe zur Musik, spielt Altflöte und singt im Chor mit. Und wenn Kalmbach sich dann zur Begleitung an den Flügel setzt, dann ist er in seiner ganz eigenen Welt.